Tyler Burge: Individualism and the Mental. In: Midwest studies in Philosophy 4 (1979), 73-122. Hier zitiert nach der Fassung in: Externalism and Self-Knowledge, ed. by Peter Ludlow & Norah Martin, Stanford, Ca: CSLI, 1998, 21-83, hier 26-28.
»We now turn to a three-step thought experiment. Suppose first that: A given person has a large number of attitudes commonly attributed with content clauses containing 'arthritis' in oblique occurrence. For example, he thinks (correctly) that he has had arthritis for years, that his arthritis in his wrists and fingers is more painful than his arthritis in his ankles, that it is better to have arthritis than cancer of the liver, that stiffening joints is a symptom of arthritis, that certain sorts of aches are characteristic of arthritis, that there are various kinds of arthritis, and so forth. In short, he has a wide range of such attitudes. In addition to these unsurprising attitudes, he thinks falsely that he has developed arthritis in the thigh. Generally competent in English, rational and intelligent, the patient reports to his doctor his fear that his arthritis has now lodged in his thigh. The doctor replies by telling him that this cannot be so, since arthritis i specifically an inflammation of joints. Any dictionary could have told him the same. The patient is surprised, but relinquishes his view and goes on to ask what might be wrong with his thigh.
The second step of the thought experiment consists of a counterfactual supposition. We are to conceive of a situation in which the patient proceeds from birth through the same course of physical events that he actually does, right to and including the time at which he first reports his fear to his doctor. Precisely the same things (non-intentionally described) happen to him. He has the same physiological history, the same diseases, the same internal physical occurences. He gooes through the same motions engages in the same behaviour, has the same sensory intake (physiologically described). […] He evelops the dosposition to assent to 'Arthritis can occur in the thigh' and 'I have arthritis in the thigh' as a result of the same physically described proximate causes. […] But in our imagined case, physicians, lexicographers, and informed laymen apply 'arthrtitis' not only to arthritis but to various other rheumatoid ailments. The standard use of the term is to be conceived to encompass the patient's actual misuse. […] The person might have the same physical history and non-intentional mental phenomena while the world 'arthritis' was conventionally applied, and defined to apply, to various rheumatoid ailments, including the one in the person's thigh, as well as to arthritis.
The final step is an interpretation of the counterfactual case […] The upshot of these reflextions is that the patient's mental contents differ while his entire physical and non-intentional mental histories, considered in isolation from their social context, remain the same. […] The differences seem to stem from differences „outside“ the patient considered as an isolated physical organism, causal mechanism, or seat of consciousness. The difference in his mental contents is attributable to differences in his social environment.«
Man denke sich einen Patienten A, der Arthritis hat, der an dieser Krankheit schon länger leidet und naturgemäß eine ganze Menge Meinungen und Ansichten darüber hat, z.B. dass er diese Krankheit seit Jahren hat, dass aber Arthritis besser ist als Krebs, und dass seine Arthritis in den Fingergelenken mehr schmerzt als die in seinen Fußgelenken. Da er neuerlich Schmerzen im Oberschenkel hat, meint er, das könnte auch Arthritis sein, und geht zum Arzt. Der klärt ihn auf: Arthritis ist eine Gelenkkrankheit, der Schmerz im Oberschenkel muss was anderes sein.
Nun denke man sich einen anderen Patienten B, der dem ersten in allen hier relevanten Punkten völlig gleich ist: sowohl in der Krankheitsgeschichte seiner Arthritis, und in seinen Ansichten und Überzeugungen dazu, als auch in der Art und Weise, wie er zum kompetenten Sprecher des Deutschen geworden ist. Er hat die gleichen Erfahrungen gemacht, die gleichen Dinge gelesen, die gleichen Unterhaltungen geführt wie A. Da er wie A Schmerzen im Oberschenkel hat, meint er, das könne auch Arthritis sein, und geht zum Arzt. Allerdings lebt B in einer Welt, in der die Bedeutung des Wortes „Arthritis“ weiter gefasst ist und die verschiedensten rheumatischen Erkrankungen bezeichnet, darunter auch die Oberschenkelschmerzen des B. Der Arzt sagt ihm daher: „Ja, stimmt, Sie haben Arthritis“.
Obwohl also A + B völlig die gleichen Erfahrungen gemacht haben (und zu ihrem Arzt den gleichklingenden Satz sagen: „Ich glaube, ich habe jetzt Arthritis im Oberschenkel“), sagen und denken beide etwas verschiedenes, weil sich für A „Arthritis“ auf Arthritis bezieht (wie für uns), während sich für B „Arthritis“ auf Arthritis* bezieht. Ihr mentaler Inhalt ist demnach verschieden, obwohl ihre physische Geschichte jeweils ganz gleich ist.
Das Gedankenexperiment versucht, wie Putnams Zwillingserde-Szenario, einen „semantischen Externalismus“ zu begründen. Der Unterschied besteht darin, dass Putnam versucht zu zeigen, dass Wortbedeutungen auch von der physikalischen Umgebung abhängen, während Burge versucht zu zeigen, dass Wortbedeutungen auch von der gesellschaftlichen Umgebung abhängen, d.h. von den Haltungen etc. der anderen Sprecher. Der „semantische Externalismus“ richtet sich gegen die Idee, dass die Bedeutung von Wörtern, die ein Sprecher verwendet, durch dessen innere geistigen Zustände festgelegt ist. „Unter solchen geistigen zuständen kann man ein mit dem Wort assoziativ verknüpftes inneres Bild verstehen oder das implizite Wissen, wie das Wort zu gebrauchen ist, vielleicht auch einfach einen Gehirnzustand. Jedenfalls sind entsprechend dieser Auffassung für die Festlegung der Bedeutung eines Wortes allein die inneren Zustände von Sprechern relevant“ (Lauer, S. 298).
Ich muss gestehen, dass ich die internalistische Idee nicht recht verstehe, und darum auch Mühe habe, den Punkt des Arthritis-Gedankenexperiments zu verstehen. Es scheint mir ganz unsinnig zu sein, dass Bedeutungen „durch interne mentale Zustände festgelegt“ werden. Das liegt vielleicht an meiner Herkunft als Literaturwissenschaftler, dem quasi von Kindesbeinen auf die Lehre mitgegeben ist, dass die Bedeutung eines Textes nicht von der Autorintention bestimmt wird (also nicht durch den mentalen Gehalt des Autors festgelegt wird). Es scheint mir auch schwer erklärbar, wie Kommunikation funktionieren soll, wenn es kein intersubjektives Kriterium dafür gibt, wann man sich missverstanden hat.
Hier muss ich wohl noch mehr Arbeit reinstecken, denn die Qualität des Experiments steht und fällt natürlich mit der Qualität der Position, gegen die sie sich richtet …
Jedenfalls habe ich auch Mühe mit den Punkten, die in ein paar Aufsätzen in der Literatur aufgemacht werden. Wikforss z.B. hinterfragt die Art und Weise, in der Patient A sich irrt. Kann man wirklich von einem „begrifflichen“ Irrtum ausgehen? Ist nicht vorstellbar, dass sich in der Welt von Patient A die medizinische Meinung über Arthritis weiterentwickelt, so dass man zu der Idee kommt, auch Schmerzen im Oberschenkel könnten Arthritis sein? Und wäre dann nicht die Feststellung, dass nach derzeitiger Wörterbuchdefinition Patient A keine Arthritis hat, eher eine empirische als eine begriffliche Feststellung? (Wikforss 2001, 225) Für Burge's Argument ist die Feststellung, dass Patient A einen begrifflichen Fehler (a conceptual error) macht, konstitutiv, sagt Wikforss, aber das Arthritis-Beispiel sei nicht wirklich dafür geeignet.