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II Nonkognitivismus

These: Es gibt keine moralischen Tatsachen

II.1 Das Beispiel des Stevensonschen Emotivismus

„So eine Banknote“, pflegte er zu sagen, „ist eine gute Sache. Es gibt nichts Besseres auf der Welt: sie verlangt nicht nach Nahrung, nimmt wenig Raum ein, findet in jeder Tasche Platz und zerbricht nicht, wenn man sie fallen läßt.“

Die Nase, Nikolaj Gogol

Wenn Philosophen über die Sprache der Moral nachdenken, fangen sie gern mit einer Vereinfachung an. Es gibt schließlich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie man ein moralisches Urteil ausdrücken kann, und es ist viel einfacher, wenn man nur eine davon zu betrachten braucht, als wenn man sie alle nacheinander durchgeht. Darum steht gewöhnlich die Bestimmung oder Festlegung einer Art Normalform des moralischen Urteils am Anfang, zusammen mit der Behauptung, dass sich die anderen Formen (verlustfrei) in diese übersetzen lassen. Denkbar ist z.B. die Übersetzung von „Du sollst nicht stehlen“ in eine Normalform „Es ist moralisch falsch zu stehlen“, oder: „Es ist gut, nicht zu stehlen“. Das sind zwei Beispiele; die Grundwörter sind 'moralisch falsch' bzw. 'gut'.

C. L. Stevenson hat sich in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts damit beschäftigt, was moralische Urteile wohl sind, wenn sie keine Tatsachenbehauptungen sind. Die Frage stellte sich ihm, weil er die zu seiner Zeit vertretenen kognitivistischen Theorien mangelhaft fand. Diese beschäftigten sich damit, die Begriffe 'moralisch richtig' oder 'gut' in bestimmter Weise auszubuchstabieren. Das war eine Lieblingsbeschäftigung der sogenannten Naturalisten, die versuchten, im moralischen Gebrauch unklare Worte durch Definitionen zu erklären. Insbesondere 'gut' bzw. 'richtig' betrachteten sie als unklar. Ich gebe mal ein Beispiel für eine Definition, um Stevensons Einwand deutlicher werden zu lassen. Nehmen wir an, ein Theoretiker hätte behauptet, das Wörtchen „gut“ bedeutete eigentlich „nützlich“. Eine gute Schere sei also eine nützliche; eine gute, moralisch richtige Handlung eigentlich eine nützliche. Stevenson fand, man dürfe nicht in dieser Weise irgendeine Definition für 'gut' anbieten, sondern diese müsse relevant sein. Und relevant wäre sie nur dann, wenn man das Gefühl hätte, sie deckte alle Bedeutungsaspekte des definierten Wortes ab. Ob das so ist, sieht man, wenn man alles mit ihr ausdrücken kann, was man mit dem ursprünglichen Wort ausdrücken konnte, ohne dass etwas unausgesprochen zurückbleibt. Das ist mit der Definition von „gut“ als „nützlich“ offenkundig nicht der Fall. Wenn ich sage: „Der Kirschkuchen ist sehr gut geworden“, dann lässt sich das nicht angemessen ersetzen durch „der Kirschkuchen ist sehr nützlich geworden“.

Stevenson betrachtet zwei ältere Definitionsversuche, die er Hobbes und Hume zuschreibt: 1. 'gut' bedeutet 'von mir begehrt' (Hobbes), 2. 'gut' bedeutet 'von den meisten Menschen wertgeschätzt' (Hume). Beide Definitionsversuche erfassen zwar etwas wesentliches von 'gut' - aber ihnen fehlt auch etwas. Stevenson hebt drei Dinge hervor: Hobbes' Vorschlag macht es unmöglich, sich über moralische Fragen uneins zu sein.


Beispiel einer moralischen Auseinandersetzung:
A: Das ist gut.
B: Das stimmt nicht, es ist nicht gut.

In Hobbes Übersetzung:
A: Ich begehre das.
B: Das stimmt nicht, denn ich begehre das.

Sieht unsinnig aus, nicht wahr? A und B widersprechen einander in der Übersetzung gar nicht! Hobbes' Deutung kann also wohl nicht stimmen.

Humes Definition passiert diesen Test, aber nicht den nächsten. Stevenson findet, dass 'gut' eine gleichsam magnetische Wirkung hat: Wer X für 'gut' hält, muss sich eher dafür einsetzen, als er es sonst getan hätte. Dieser Aspekt geht in Humes Definition verloren. Denn die Feststellung, dass die meisten Menschen etwas schätzen, sagt noch nichts darüber aus, ob man selbst es schätzt und darum sich eher dafür einsetzen würde. Denken wir beispielsweise an die Hitparade: Die meisten Menschen schätzen offenbar das Lied auf Platz 1 – „aber ich würd's nicht kaufen, ich kaufe nur gute Lieder.“ Folgerung: Die Einstellung des Sprechers muss in der Bedeutung von 'gut' eine Rolle spielen.

Stevenson verallgemeinert beide Bemerkungen zu der These, es dürfte nicht einfach empirisch, das heißt: durch eine Untersuchung der Fakten, zu klären sein, was gut ist. Das zu unterstellen sei der Fehler der meisten Theorien (wie eben der von Hume oder Hobbes). Sie gingen nämlich fälschlich davon aus, dass moralische Urteile „deskriptive Urteile“ seien, das heißt: Urteile, die feststellen, wie etwas beschaffen ist. So meinten Hobbes und Hume, dass moralische Urteile einfach Aufschluss über Einstellungen gäben, also im wesentlichen informieren. Das tun aber moralische Urteile nur am Rande, meint Stevenson, denn sie sollen weniger informieren als beeinflussen: Wenn wir ein moralisches Urteil fällen, dann wollen wir den andern dazu bringen, so zu handeln, wie wir gesagt haben. Wenn man jemandem sagt, „du sollst nicht stehlen“, dann will man nicht damit zum Ausdruck bringen, dass die meisten Leute Diebstahl missbilligen, sondern man möchte ihn dazu bringen, Diebstahl selbst zu missbilligen und darum nicht zu stehlen.

Moralische Urteile werden also, nach Stevenson, suggestiv gebraucht. Die Suggestionskraft moralischer Wörter nennt er ihre „emotive“ Bedeutung.

Die emotive Bedeutung eines Wortes ist eine aus der Geschichte seines Gebrauchs entstehende Tendenz eines Wortes, affektive Reaktionen in Menschen zu bewirken […]. Sie ist die unmittelbare Aura des Gefühls, das sich in der Nähe eines Wortes herumtreibt (Stevenson, 127). Für 'gut' könnte man am ehesten diese emotive Bedeutung etwa so wiedergeben: „Ich habe das gern, tu du desgleichen“. Dass dieser Vorschlag nicht perfekt ist, weiß Stevenson, und führt selbst dafür zwei Gründe an: 'gut' lässt sich subtiler gebrauchen als der vorgeschlagene Satz, und es wirkt suggestiv, statt bloß Zustimmung zu heischen.

Die Idee, von der Wirkung moralischer Urteile auszugehen, ist schön. Stevenson hebt hervor, dass wir mit Sprache handeln. Das ist in den 30er Jahren eine noch recht neue Idee; vielleicht lohnt es sich, genauer auf das Handeln mit Sprache zu blicken.

II.2 Exkurs: Austins Sprechakttheorie, oder: Wie man mit Sprache handelt

Überhaupt, mein Bester, haben Sie schon bemerkt, wie eigentlich jeder Mensch ein Lügner ist? Nur gibt es zwei Arten, und darnach kann man die Menschen einteilen, in solche, welche andere belügen, das sind die materiellen Menschen, von denen man so in den Büchern liest, und dann die Idealisten, wie die Deutschen sie nennen - die sich selbst belügen.

Don Juan von Kolomea, Leopold von Sacher-Masoch

Dass wir mit Sprache handeln, ist vielleicht so überraschend nicht. Wenn man sich hauptsächlich mit geschriebenen Texten beschäftigt, verliert man dies ein wenig aus dem Blick, aber auch geschriebene Texte „argumentieren“, „beweisen“, „behaupten“, „appellieren“, „überreden“ usw. - alles Bezeichnungen für Handlungen. Im Gespräch mit anderen oder in der Begegnung erleben wir noch weitaus vielfältigeres Handeln mithilfe von Sprache. Besonders interessant sind solche Fälle, in denen die Sprache nur ein Beiwerk ist. Beim Versprechen etwa geht man eine Verpflichtung ein; beim Taufen wird jemand in eine Gemeinschaft aufgenommen, mit einem Testament werden Besitztümer vererbt. Vielen dieser Handlungen ist gemeinsam, dass die sprachlichen Formeln, die sie begleiten oder sogar ausmachen, wie Aussagesätze aussehen können. „Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes …“ - das ist grammatisch ein wohlgeformter Aussagesatz; praktisch aber ist es keiner. Denn er soll nichts aussagen, und man kommt nicht weit mit der Frage, ob er wahr oder falsch ist.

Mit solchen Sätzen bzw. mit solchen Handlungen hat sich John Langshaw Austin beschäftigt; man kann das in seiner Vorlesung How to do things with words nachlesen, in der er die Grundzüge seiner Sprechakttheorie entwickelt.

Damit klar ist, wovon die Rede ist, macht Austin eine Unterscheidung auf, die in Konkurrenz steht zur klassischen grammatischen Unterscheidung von Sätzen. Statt Sätze also nach ihrer grammatischen Form (Aussagesatz, Fragesatz, Befehl etc.) zu klassifizieren, untersucht er sie nach ihrer Funktion. Sätze mit einer bestimmten Funktion heißen „performativ“. Ob ein Satz eine Funktion übernimmt, hängt davon ab, in welchem Zusammenhang er gebraucht wird. Nehmen wir das Beispiel Schiffstaufe. Der Satz „Ich taufe das Schiff auf den Namen Poseidon“ erfüllt nur dann seine Funktion, wenn man sich an die Konvention für solche Gelegenheiten hält: man äußert ihn im Rahmen des Rituals und lässt dabei eine Flasche Sekt am Schiffsrumpf zerschellen. Der gleiche Satz wäre in einer anderen Situation keine Handlung, da man durch ihn nichts tun könnte. Austins Lieblingsbeispiel stammt aus dem Fußball: Der Schiedsrichter ruft „Aus!“, wenn der Ball die Linie überquert. Damit sagt er nicht nur, dass der Ball seiner Meinung nach im Aus ist, sondern er erklärt ihn für „aus“. Erst durch seine Äußerung (seinen Pfiff) ist der Ball wirklich im Aus. Das Beispiel zeigt zugleich, dass sprachliches oder kommunikatives Handeln nicht mal entfernt wie ein richtiger Satz aussehen muss.

Performative Äußerungen können nicht wahr oder falsch sein, aber sie können gelingen oder verunglücken, indem sie zum richtigen oder falschen Zeitpunkt, von der richtigen oder falschen Person, mit der richtigen oder falschen Absicht usw. gesprochen werden. Auch Feststellungen und Behauptungen sind performativ. Was sie voraussetzen, sieht man im folgenden Beispielsatz: „Die Katze liegt auf der Matte, aber ich glaube es nicht“. Sieht seltsam aus, oder? Denn die Behauptung „Die Katze liegt auf der Matte“ setzt unausgesprochen voraus, dass der Sprecher die Behauptung für wahr hält. Tut er das nicht, ist die Handlung des Behauptens missglückt, weil die nötigen Bedingungen nicht erfüllt sind. Das ist einem Versprechen vergleichbar: „Ich verspreche dir, um neun heute bei dir zu sein“ ist missglückt, wenn ich nicht die Absicht habe zu kommen. Diese Absicht ist die unausgesprochene Voraussetzung.

Ob ich die Absicht habe zu kommen oder ob ich tatsächlich glaube, dass die Katze auf der Matte liegt, kann man meinen performativen Äußerungen nicht ansehen. Dabei wäre es doch für mein Gegenüber ganz wichtig zu wissen! Damit derlei überhaupt funktionieren kann, muss man also Vertrauen in sein Gegenüber haben. Anders ausgedrückt wirkt eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen Leuten, die sich unterhalten, dass sie aufrichtig zueinander sind, einander nur wesentliches mitteilen, usw. Darum darf man - einige Beispiele - davon ausgehen, dass einer vorhat zu kommen, wenn er verspricht zu kommen, oder dass er glaubt, dass der Ball im Aus ist, wenn er „aus“ entscheidet, dass er sich auskennt, wenn er einen Vortrag hält, dass er die Autorität hat, dies oder jenes zu tun (etwa zu taufen).

Ein weiteres Beispiel: Begegnet man an der Gartentür einem Schild „Vorsicht, bissiger Hund“, ist es ratsam zu vermuten, dass es einen Hund gibt und dass er gerne beißt; vielleicht kennt man aber auch den Besitzer des Gartens und weiß, dass das Schild nicht warnen sondern abschrecken soll. Eine genauere Kenntnis der Umstände kann uns also dazu bringen, vom Normalverhalten („Aha, eine Warnung: bin ich mal lieber vorsichtig!“) abzuweichen. Übrigens sieht man an diesem Beispiel noch, was Sie sich vielleicht schon gedacht haben: Performative Äußerungen müssen nicht gesprochen sein, um zu funktionieren. Handeln kann man auch durch Schrift.

Die Handlung des Sagens, der Lautäußerung, nennt Austin einen lokutionären Akt. Die Handlung, die man vollzieht, indem man etwas sagt, ist ein illokutionärer Akt. Ich sage zu Ihnen „Guten Tag“ (lokutinärer Akt). Damit grüße ich Sie (illokutionärer Akt). Für Austin ist noch eine weitere Kategorie wichtig, nämlich der perlokutive Akt. So sollen Handlungen heißen, deren Name ihren Erfolg einschließt. Austins Beispiel:

(Lokution) Er hat zu mir gesagt „Das kannst du nicht tun!“
(Illokution) Er hat dagegen protestiert, dass ich es täte.
(Perlokution) Er hat mich davon abgehalten, es zu tun.

Übrigens kann man keinen ausdrücklich perlokutiven Akt formulieren: „Ich überzeuge Sie, dass …“ ist ebenso eine missglückte Äußerung wie „Hiermit beleidige ich Sie!“. – Für den Zusammenhang hier ist die Perlokution eine Dreingabe; interessanter ist die Untersuchung der illokutionären Akte. Und damit…

II.3 Zurück zum Emotivismus

Inwiefern helfen Austins Beobachtungen für die Einschätzung von Stevensons emotivistischer Theorie der Bedeutung moralischer Ausdrücke? Sieht es nicht so aus, als habe Austin die Theorie bestätigt? In Austinscher Begrifflichkeit könnte man sagen, dass Stevenson die Bedeutung von 'gut' in den illokutionären Akten des Billigens und Empfehlens sieht. Nun hat Austin auch auf die Rolle stillschweigender Annahmen beim Glücken von Sprachhandlungen hingewiesen. Was sind die stillschweigenden Annahmen, wenn „X ist gut“ soviel heißt wie „ich billige X und fordere dich auf, desgleichen zu tun“?

Plausibel scheint es mir, dass wir in so einem Fall des Billigens und Empfehlens einen Grund oder die Möglichkeit der Rechtfertigung voraussetzen. „Ich billige X, aber ich weiß nicht, warum“ wirkt genauso seltsam wie „ich fordere zu X auf, aber ich habe keinen Grund dafür“. Die stillschweigende Annahme eines Grundes hat mit dem deskriptiven Gehalt von 'gut' zu tun. Stevenson meint, 'gut' habe keinen deskriptiven Gehalt, keinen sachlichen und beschreibenden Anteil. Damit schießt er wohl ebenso übers Ziel hinaus wie die von ihm kritisierten Hobbes und Hume.

Dass da ein Problem in Stevensons Theorie ist, sieht man auch, wenn man sich selbst fragt: „Ist X gut?“ Nach Stevenson würde das soviel bedeuten wie „Billige ich X?“ Doch die Fragen richten sich auf Unterschiedliches. So kann ich im Zweifel sein, ob X gut ist, während mir klar ist, dass ich es billige.

II.4 Weitere nonkognitivistische Theorien?

Möglicherweise sind andere nonkognitivistische Theorien überzeugender als die Stevensons. Richard M. Hares Präskriptivismus gilt als nonkognitivistische Theorie; auf ihn möchte ich später (siehe Kapitel VII) eingehen.

Der Nonkognitivismus hat in seiner modernen Ausprägung viel mit Sprachphilosophie zu tun; er setzt ein gewisses Maß an Verständnis dafür voraus, wie Sprache funktioniert. Dabei profitiert er auch von ihren Irrtümern. Einer der prominenten Irrtümer der Sprachphilosophie des letzten Jahrhunderts ist die Vorstellung, sinnvoll im wissenschaftlichen Sinne könne ein Satz nur sein, wenn er wahr oder falsch sein kann, und wahr oder falsch könne er nur sein, wenn man eine Methode kennt, seine Wahrheit zu prüfen. Gerade die Auseinandersetzung mit dieser Position bringt Stevenson auf seine eigenen Ideen.

Dass der Sinn oder Unsinn eines Satzes davon abhängt, dass er wahr oder falsch sein kann, haben Angehörige des Wiener Kreises, eines philosophischen Debattierzirkels im Wien der Jahre 1925-1933, vertreten. Vorbereitet ist diese These durch die Philosophie Gottlob Freges und Bertrand Russells, die wiederum den frühen Ludwig Wittgenstein beeinflussten, der mit Moritz Schlick, dem später ermordeten Gründer des Wiener Kreises, befreundet war. Heutzutage wird auch der Einfluss der österreichischen Tradition, für die Namen wie Franz Brentano und Ernst Mach stehen, auf die Entwicklung der neopositivistischen Philosophie des Wiener Kreises nicht unterschätzt.

Schlick hat in seinem Buch Fragen der Ethik das Projekt einer Ethik schlichtweg für überflüssig erklärt, weil moralische Sätze entweder sinnlos seien oder nur etwas über die Einstellung des Sprechers aussagten – eine ganz ähnliche Position wie die von Stevenson.

Die Einfalt dieser Auffassung macht Sir Alfred Jules Ayer (unfreiwillig) in seinem einflussreichen Buch Sprache, Wahrheit und Logik, zuerst 1934 unter dem Titel Language, Truth and Logic erschienen, deutlich. Dieses Buch ist eines der ersten, dass die Ideen des Wiener Kreises der amerikanischen Philosophie zugänglich macht und damit im englischsprachigen Bereich verbreitet. Es heißt dort:

Wenn ich daher zu jemandem sage „Du tatest Unrecht, als du das Geld stahlst“, dann sage ich nicht mehr aus, als ob ich einfach gesagt hätte „Du stahlst das Geld“. Indem ich hinzufüge, dass diese Handlung unrecht war, mache ich über sie keine weitere Aussage. Ich zeige damit nur meine moralische Missbilligung dieser Handlung. Es ist so, als ob ich „Du stahlst das Geld“ in einem besonderen Tonfall des Entsetzens gesagt oder unter Hinzufügung einiger besonderer Ausrufezeichen geschrieben hätte. Der Tonfall oder die Ausrufezeichen fügen der Bedeutung des Satzes nichts hinzu. Sie dienen nur dem Hinweis, dass sein Ausdruck von gewissen Gefühlen des Sprechers begleitet wird. (Ayer, 141)

Das ist genau die Auffassung, die Austin sich zu widerlegen aufmachte. Die Erkenntnis, dass die Beschränkung sinnvoller Sätze auf Aussagesätze unserem gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht gerecht wird - und was sollte die Sprachphilosophie untersuchen, wenn nicht die gesprochene Sprache? - führte dann zur vorsichtigen Neuorientierung der Positivisten.

Weiterlesen

Ich erläutere C. L. Stevensons Ansatz am liebsten mit seinen eigenen Worten, die ich seinem Aufsatz Die emotive Bedeutung ethischer Ausdrücke entnehme. Er erschien zuerst 1937 unter dem Titel The Emotive Meaning of Ethical Terms. Ich zitiere aus dem folgenden Buch:
Seminar: Sprache und Ethik : zur Entwicklung der Metaethik. – Hg. von Günther Grewendorf und Georg Meggle. – Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1974 (stw ; 91). – Darin: 116-139.

John L. Austin: Die Theorie der Sprechakte. Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny. – Stuttgart : Reclam, (2)1979.
Das Buch ist die postume Veröffentlichung der Vorlesungen How to Do Things with Words, die Austin seit 1955 in Harvard hielt.

Austins Entdeckungen sind für diejenigen nichts Neues, die sich a) mit dem späten Wittgenstein der Philosophischen Untersuchungen beschäftigt haben, auf dem er aufbaut, oder mit dem Sprachzeichenmodell von Karl Bühler (vgl. etwa seine Sprachtheorie : die Darstellungsfunktion der Sprache. – Jena 1934, Nachdruck: Stuttgart : G. Fischer, 1982). Bühlers Analyse der Sprachfunktionen, besonders der Appell-Funktion, bereitet Austins Pragmatik vor.

John Searle hat Austins Theorie der Sprechakte weiter ausgearbeitet. Sein Buch heißt schlicht Speech Acts, gibts auch auf deutsch.
Zu den stillschweigenden Voraussetzungen, wenn man sich unterhält, steht Wegweisendes auch bei H. Paul Grice.

Moritz Schlicks Argumentation lässt sich in dem immer noch lesenswerten Buch von (Wien) 1930 Fragen der Ethik, jetzt in einer leicht erreichbaren Ausgabe (hg. von Rainer Hegselmann. – Frankfurt am Main : Suhrkamp, (1)1984, (2)1990) nachlesen.

Ayers Buch ist auf deutsch in Stuttgart bei Reclam erschienen.

Weiter mit Kapitel 3: Kognitivismus.

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